Wie sollen Vergütungssysteme aussehen? Wie kann sichergestellt werden, dass ein Vergütungsprogramm eine angemessene Motivations­wirkung entfaltet und die strategische Ausrichtung des Unternehmens sowie Nachhaltigkeitsziele adäquat reflektiert?

 

 

1.1. Der Aufsichtsrat soll für das Unternehmen Grundsätze zur Vorstandsvergütung festlegen, die auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg ausgerichtet sind und relevante Stakeholderziele berücksichtigen.

Erläuterung: Die Vergütungsgrundsätze umfassen u.a. die allgemeinen Zielsetzungen („Wie soll die Vergütung das Unternehmensinteresse gewährleisten?“), sowie Aussagen zur beabsichtigten Motivationswirkung. Die Vergütungsgrundsätze sollten darauf abzielen, Vergütungssysteme zu vereinfachen, Nachhaltigkeitsaspekte mit einzubeziehen, sowie Nachvollziehbarkeit für wesentliche Stakeholder sicherzustellen.

1.2. Der Aufsichtsrat hat für eine angemessene Vorstandsvergütung zu sorgen. Bei der Marktüblichkeit ist die relevante nationale bzw. internationale Wettbewerbssituation zu beachten. Abweichungen sind adäquat zu erläutern und zu begründen.

Erläuterung: Analysen zur Marktüblichkeit und darauf basierende Entscheidungen zur Vergütungsanpassung sind mit besonderer Sorgfalt durchzuführen, da Marktvergleiche zu einer permanenten Aufwärtsspirale führen könnten. Dabei sind u.a. die Auswahl der Vergleichsgruppe, die Positionierung des eigenen Unternehmens in der Vergleichsgruppe und die verwendeten Vergütungselemente zu beachten. Ein Anstieg der Vorstandsvergütung soll i.d.R. durch verbesserte Unternehmensergebnisse, verbesserte individuelle Leistung, zusätzliche oder geänderte Aufgabenbereiche oder eine veränderte Positionierung des Unternehmens begründet sein.

1.3. Für die vertikale Angemessenheit ist die in der Gesellschaft für die übrigen Mitarbeiter geltende Vergütungsstruktur heranzuziehen. Hierbei soll der Aufsichtsrat das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt, auch in der zeitlichen Entwicklung
berücksichtigen, wobei der Aufsichtsrat für den Vergleich die Abgrenzung des oberen Führungskreises und der relevanten Belegschaft festlegt.

1.4. Vergütungssysteme sollen auf nicht mehr als drei Grundsäulen (Fixvergütung, jährliche variable Vergütung, mehrjährige variable Vergütung) beruhen, so einfach wie möglich ausgestaltet sein, und ein angemessenes Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung gewährleisten.

1.5. Zusagen zur betrieblichen Altersvorsorge (‘bAV‘) sollen – wenn überhaupt – beitragsorientiert und ausschließlich an die Fixvergütung geknüpft sein. Bei Neuverträgen und Vertragsverlängerungen sollen keine endgehaltsabhängigen Leistungszusagen vereinbart, bzw. verlängert werden.

1.6. Die variable Vergütung soll überwiegend auf langfristige und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensziele ausgerichtet sein, die die erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensstrategie und deren Vergleich mit relevanten Wettbewerbern reflektieren. Die dem Vorstandsmitglied gewährte variable Vergütung soll von ihm überwiegend in Aktien der Gesellschaft angelegt oder entsprechend aktienbasiert gewährt werden. Über die langfristig variablen Gewährungsbeträge soll das Vorstandsmitglied erst nach vier Jahren verfügen können.

Erläuterung: Die aus der Unternehmensstrategie abzuleitenden langfristigen Unternehmensziele sollen für das jeweilige Unternehmen neben strategischen und finanziellen Zielen auch wesentliche, materielle Nachhaltigkeitsparameter (wie Innovation, ökologische und soziale Wirkung, Unternehmenskultur sowie Kunden und Mitarbeiterzufriedenheit) beinhalten. Als wesentliche Aspekte von Nachhaltigkeit sind auch relevante ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) durch langfristige KPIs abzubilden.

1.7. Die Gesamtvergütung des Vorstands soll betragsmäßig begrenzt werden.

Erläuterung: Die Gesamtvergütung für den Vorstand schließt alle Vergütungsteile und geldwerten Vorteile (wie Nebenleistungen, Sonderzahlungen, Leistungen der bAV, Sign-on Boni, Abfindungen etc.) ein. 
Erläuterung: Die Gesamtvergütung ist betragsmäßig im Sinne der Maximalvergütung nach § 87a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG zu begrenzen. Dies bedeutet, dass die Summe der Auszahlungen aus allen für ein Geschäftsjahr zugesagten Vergütungselementen die festgelegte Maximalvergütung nicht überschreiten darf. Bei Überschreiten der Maximalvergütung ist in der Regel die mehrjährige variable Vergütung als der zuletzt zur Auszahlung kommende Vergütungsbestandteil zu kürzen. Nachzahlungen für ein Geschäftsjahr werden periodengerecht zugeordnet.
Erläuterung: Betragsmäßige Obergrenzen sollen für die variablen Vergütungsbestandteile vereinbart werden und schließen auch die Aktienkursentwicklung mit ein. Aktien, die bereits vom Vorstand gehalten oder aus Vergütungszuflüssen erworben werden (wie aufgrund von Eigeninvestmentverpflichtungen für Aktienprogramme und Aktienhalteverpflichtungen siehe Punkt 1.8.), sind keine Vergütungsbestandteile und daher bei Vergütungsobergrenzen nicht zu berücksichtigen.

1.8. Mit den Vorstandsmitgliedern soll vereinbart werden, Aktien ihres Unternehmens im Umfang mindestens einer Brutto-Jahresfixvergütung zu erwerben und zu halten („Richtlinien für Eigeninvestment im Unternehmen“). Dieses Eigeninvestment soll spätestens nach 4 Jahren erreicht sein.

Erläuterung: Unternehmen sollten sich bei der Festlegung bewusst sein, dass internationale institutionelle Investoren auf Grund des damit verbundenen „Interest-Alignment“, häufig einen höheren Aktienbesitz relativ zum Fixgehalt erwarten, bspw. 300 oder 500% des Brutto-Fixgehalts für Vorstände bzw. Vorstandsvorsitzende.

1.9. Unternehmen sollen Compliance-Prozesse implementieren, um die sich aus vertraglichen Bestimmungen ergebenden Aktieninvestments des Vorstands insiderrechtssicher zu gewährleisten (wie automatische Kaufprozesse zu festen Stichtagen).

1.10. Der Aufsichtsrat soll vertragliche Regelungen implementieren, die eine Auszahlungskürzung (Malus) und Vergütungsrückforderung (Claw Back) bei grob pflicht- und sittenwidrigem Verhalten sowie schwerwiegenden Verstößen gegen wesentliche Compliance- und Governance-Vorschriften vorsehen.

1.11. Der Aufsichtsrat soll für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Vorstandstätigkeit, auch in Folge eines Kontrollwechsels („Change-in-Control“), keine Abfindungszahlungen vereinbaren, die einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresgesamtvergütungen überschreiten oder über die Vergütung für die Restlaufzeit des Vorstandsvertrags hinausgehen. Bei
Beendigung des Vorstandsvertrags aus einem vom Vorstandsmitglied zu vertretenden wichtigen Grund oder Vertragsauflösung auf Wunsch des Vorstandsmitglieds soll keine Abfindung gezahlt werden.

1.12. Für alle Vorstandsmitglieder soll – auch bei Systemveränderungen – das gleiche Vergütungssystem gelten.

Erläuterung: Systemveränderungen sollen mit allen Vorstandsmitgliedern gleichermaßen vereinbart werden. Abweichungen sollen transparent und begründet dargestellt werden. Bei einer Systemveränderung entstehende Wertnachteile können durch angemessene Zahlungen ausgeglichen bzw. abgefunden werden. Wo dies nicht sinnvoll oder möglich ist, wie z.B. bei langjährigen bAV Zusagen, ist die Abweichung zu begründen.

1.13. Einmalzahlungen für neu eintretende Vorstandsmitglieder („Sign-on Bonus“) sollen nur in begründeten Fällen vorgesehen werden. Im Übrigen sollen Sonderzahlungen außerhalb der regulären variablen Vergütung im Vergütungssystem nicht vorgesehen werden.

Erläuterung: Sign-On Boni können insbesondere zum Ausgleich für variable Vergütungskomponenten beim bisherigen Dienstherrn vereinbart werden, die infolge des Wechsels des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft verfallen. Sign-On Boni können auch in Aktien der Gesellschaft angelegt werden und somit der Erfüllung von Aktienhaltevorschriften dienen.
Erläuterung: Sog. „Mannesmann“-Klauseln sollen nicht vorgesehen werden.

1.14. Abweichungen vom Vergütungssystem sollen nur erfolgen, wenn dies im Interesse des langfristigen Wohlergehens des Unternehmens notwendig ist.


Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung: DESIGN – DARSTELLUNGDIALOG